Ziemlich beste Freunde – Hans Thuar und August Macke
Eine berührende Kinder- und schließlich Künstlerfreundschaft verbindet August Macke mit Hans Thuar. Die beiden Nachbarskinder sind neun und zehn Jahre alt, als sie sich 1897 in Köln kennenlernen und bald—Schiffe bauend, Pfeile schnitzend oder die japanischen Holzschnitte von Thuars Vaters bestaunend—jeden Tag miteinander verbringen.
Zwei Jahre später verunglückt Hans und verliert beide Beine—es ist August Macke, der ihn mit seiner humorvollen Art und seinen gezeichneten Geschichten aufheitert und wieder Lebensmut schenkt. Der Freundschaft tut auch der Wegzug von Mackes Familie keinen Abbruch. Das gemeinsame Zeichnen und Malen münden bei beiden in dem Wunsch, Künstler zu werden. Doch das akademische Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie befriedigt sie nicht.
Die Freunde neigen einer farbkräftigen, atmosphärischen Stimmungsmalerei zu, die Macke auf seinen Reisen studiert und Thuar, dessen Bewegungsradius eingeschränkter ist, sich im Rheinland, durch Zeitschriften und im Austausch mit dem Freund aneignet. „Eine starke, lebendige Empfindung zu gestalten“ (Macke) ist das Motto, das sie bei ihren Experimenten antreibt. Beide gehören vor dem Ersten Weltkrieg zu den heftig angefeindeten expressionistischen Modernen. Während Macke nach einer Ausdrucksform für seine Vorstellung eines irdischen Paradieses sucht, spiegelt sich in Thuars Werken eine existentielle Beziehung zur Natur.
Mackes früher Tod als Soldat im Ersten Weltkrieg trifft den Freund hart und führt zum Abbruch seiner künstlerischen Arbeit. Als Thuar Anfang der 1920er Jahre wieder mit dem Malen beginnt, schafft er großartige, leuchtend farbige und ganz eigenständige Kompositionen—„expressiv bis zum Bersten“, wie August Mackes Sohn Wolfgang urteilt. Gleichzeitig bringen Inflation und Wirtschaftskrise seine fünfköpfige Familie immer wieder an den Rand des Existenzminimums. Darüber hinaus machen ihn die körperlichen Einschränkungen oftmals zu schaffen.
Doch der Kontakt mit Mackes Frau, seinen Söhnen und dem dazugehörigen Freundeskreis setzt sich zeitlebens fort. Als August Mackes Sohn Wolfgang schließlich an Weihnachten 1937 Thuars Tochter Gisela heiratet, wachsen die Künstlerfamilien endgültig zusammen.
Die Ausstellung, kuratiert von der Macke- und Thuar-Kennerin Ina Ewers-Schultz, geht erstmals der einzigartigen Künstlerfreundschaft nach und stellt mit Hans Thuar einen Künstler in den Mittelpunkt, dessen Werk zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Erinnerungen und Briefzitate beider Künstler haben zudem die Illustratorin Yuka Masuko zu einer grafischen Kurzgeschichte im Stil einer graphic novel inspiriert, die dieser besonderen Freundschaft nachspürt.
Die Ausstellung ist in Kooperation mit den Museen Stade entstanden. Wir danken den Museen, der Familie Macke-Thuar und allen privaten Leihgeber*innen für die umfassende Unterstützung.
Header photo: Hans Thuar,Blühende Obstbäume (Endenich), 1911, Öl auf Leinwand, © Privatbesitz. Foto: Museen Stade/Margot Schmidt; August Macke, Walter, drei Tage alt, 1910, Öl, Tusche/Feder auf Holz, © Privatbesitz. Foto: Museen Stade/Margot Schmidt
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