Sonderausstellung Kunstmuseum

"prachtvoll und eigenartig"Dominikus Böhms Kirche Sankt Johann Baptist in Neu-Ulm

„Das eigenartig ausgebaute Innere ist von prachtvoller Wirkung“ zollte die Ulmer Chronik vom Januar 1927 Dominikus Böhms Kirche St. Johann Baptist in Neu-Ulm Respekt. Als „Meisterwerk der Kirchenbaukunst“, als „Eckstein der Entwicklung des modernen Kirchenbaus“ wurde Böhms grundlegender Umbau der katholischen Stadtpfarrkirche des 19. Jahrhunderts bei seiner Fertigstellung gefeiert.

Die „von Einfällen übersprudelnde Begabung“ des in Jettingen geborenen schwäbischen Baumeisters (1880 – 1955) erregt früh Aufmerksamkeit. Motiviert von den Bestrebungen des 1907 gegründeten „Deutschen Werkbunds“, – eines Zusammenschlusses von Architekten, Kunsthandwerkern und bildenden Künstlern, der sich Materialgerechtigkeit und Formenvereinfachung auf die Fahnen geschrieben hat –, löst sich Böhm rasch von der überkommenen Kirchenbautradition und strebt nach zeitgemäßen, neuen Ausdrucksformen. In kraftvoll-expressiven Kohlezeichnungen entwirft er weihevolle Gotteshäuser und stimmungsvolle Raumskulpturen, die das religiöse Streben der Zeit in eine moderne Formensprache zu übersetzen suchen.

Dominikus Böhm gilt als der Reformer des Katholischen Kirchenbaus. „Ich baue, was ich glaube“ – lautet seine Überzeugung. Architektur ist für ihn in erster Linie Erlebnisform. Die Kühnheit der Bausprache, so das Bestreben des Professors für sakrale Kunst an der Werkkunstschule Köln, soll den überwältigenden mystischen Erfahrungen des Glaubens entsprechen.

„Zögernd betritt man die Eingangsstufen, weil ihre Eigenart sofort eine seltene Gestaltungskunst offenbart. Und innen ist man gebannt von all den Durchblicken, deren jeder ein schöneres Bild hervorzaubert; man bewundert die geniale Art der Einführung des Tageslichtes, das von sonnenheller Klarheit bis zum mystischen Halbdunkel im Chor hinüberdämmert. Zwischen diesen Mauern und Pfeilern, unter diesen Gewölben wohnen Ruhe und Frieden, andachtsvolle Stimmung und weihevolle Feierlichkeit immerdar.“
(Neckar-Zeitung, Heilbronn, 31. Dezember 1928 über St. Johann Baptist)

St. Johann Baptist in Neu-Ulm ist eine der ersten expressionistischen Kirchenbauten Deutschlands. Außergewöhnlich theatralische Raumschöpfungen wie die der Auferstehungs- und der Taufkapelle, gleichsam zum Altar hinstrebende, kraftvoll bewegte Seitenwände, gotisch inspirierte Gewölbe und nicht zuletzt die dramatische Lichtführung galten den Zeitgenossen in ihrer „Durchglühung und Verlebendigung“ als revolutionär.

Die Ausstellung im Edwin Scharff Museum zeichnet in ca. 90 Exponaten die komplexe Baugeschichte der Kirche nach und versammelt Ideenskizzen, Entwurfszeichnungen, Pläne und Aquarelle Dominikus Böhms. Sie präsentiert ferner die ursprüngliche Ausstattung des als Gesamtkunstwerk konzipierten Baues, bei der Künstler wie der bedeutende Glasgestalter Johan Thorn-Prikker mitgewirkt haben. Die Ausstellung wird durch zahlreiche Fotoaufnahmen des renommierten Architekturfotografen Hugo Schmölz bereichert.