Spurensuche: Richard Liebermann (1900 - 1966) – Lebenslinien eines gehörlosen, jüdischen Künstlers
Das Edwin Scharff Museum zeigt erstmals eine Ausstellung, die nicht das Werk eines Künstlers, sondern vor allem seinen Lebensweg in den Mittelpunkt rückt: Richard Liebermann.
1900 in Neu-Ulm als Gehörloser geboren, studiert Richard Liebermann in München an der Akademie der Bildenden Künste Malerei. Obwohl er zum katholischen Glauben konvertiert, wird er dennoch als Jude verfolgt. Liebermann erhält Arbeitsverbot und wird im Oktober 1940 in das Konzentrationslager Gurs am Fuß der Pyrenäen, später in das Camp Noé in Frankreich deportiert. Er und zwei seiner Geschwister überleben die NS-Zeit, kommen frei und erhalten Zuflucht in einem Hospiz in St. Rambert sur Loire, wo Richard Liebermann schließlich bis zu seinem Tod im Jahre 1966 lebt.
Ausstellungsanlass ist also neben der künstlerischen Leistung Liebermanns vor allem sein spezifischer Lebensweg. Einzelne seiner Lebensstationen sind exemplarisch für viele seiner Zeitgenossen, doch erfährt die Biographie Liebermanns insgesamt – durch die Verquickung von Künstlertum, Behinderung und Judentum – eine besondere Verdichtung.
„Spurensuche: Richard Liebermann (1900 – 1966)“ ist die Ausstellung überschrieben. Kein Titel schien treffender, um deutlich zu machen, dass sich das Bild der Persönlichkeit Liebermanns aus einer Vielzahl von Mosaiksteinchen zusammensetzt; Mosaiksteinchen, die aus Archivalien, Dokumenten, aus Liebermanns Werken oder aus Berichten von Menschen bestehen, die ihn kannten.
Wider Erwarten konnten viele bislang unbekannte Gemälde, Aquarelle und Dokumente aufgespürt werden. Bilder des Neu-Ulmers fanden sich nicht nur an den Orten seines Schaffens, also im Ulmer und Konstanzer Raum sowie in Frankreich, sondern darüber hinaus in der Schweiz, den Niederlanden, den USA und Israel.
So zeichnet die Ausstellung auf eindringliche Weise den Lebens- und Schaffensweg eines vielversprechenden Künstlers nach. Seine Behinderung meisternd machen die nachgezeichneten Lebenslinien anschaulich, dass die Machtübernahme der Nationalsozialisten für Richard Liebermann einen Bruch – nicht nur – in seinem künstlerischen Leben bedeutete. Liebermanns Lebensweg ist zwar der eines „Überlebenden“, aber doch der eines „Gezeichneten“.