Sonderausstellung Kunstmuseum

JUNGE PFERDE! JUNGE PFERDE!Kunst auf dem Sprung ins 20. Jahrhundert

Edwin Scharffs Vorliebe für das Motiv ‚Pferd‘ bildet den Anlass zu dieser Ausstellung. Sie zeigt, dass Scharffs intensive Beschäftigung mit diesem Leitmotiv keine nur individuelle Passion ist. Vielmehr steigt das Pferd in den Jahren nach der Jahrhundertwende bis etwa 1920 als existentielle Metapher zu großer Bedeutung auf. Zunächst neoklassizistisch idealisiert, nehmen es die Künstler im Umkreis des Blauen Reiter als Sinnbild des reinen, mit der Schöpfung verbundenen Wesens. Bei den Brücke-Künstlern dagegen wird das Pferd als ein der Natur entfremdetes Wesen vorgeführt wird, das im Zirkus dem Amüsement der Stadtbewohner dient. Das überwältigende Erlebnis des Ersten Weltkriegs schließlich lässt die Künstler in ihrer Sprachlosigkeit wiederum auf Metaphern zurück. So ist es erneut das Pferd, das nun als gequälte Kreatur das Erlebte zu spiegeln vermag.

Pferde – „solange ich arbeiten werde, wird mich dieses Thema immer wieder auf neue Weise beschäftigen“, formulierte Edwin Scharff einmal. Seine lebenslange schöpferische Auseinandersetzung mit diesem Motiv gab den Anstoß, in einer Ausstellung der Faszination nachzuspüren, die Künstler gerade dem Pferd entgegenbringen. Körperlich dem Menschen überlegen, kraftvoll und anmutig zugleich, vermag es eine sehr besondere Gemeinschaft mit dem Menschen einzugehen.

Blick in die Ausstellung "Junge Pferde! Junge Pferde!". Foto: Edwin Scharff Museum, Nik Schölzel

In der Tat sind Pferde für viele Künstler zwischen 1870 und den 1920er Jahren nicht einfach nur Motive. Sie werden nicht nur als Reit- oder Nutztier wahrgenommen, sondern zu Sinnbildern stilisiert oder gar als Stellvertreter des Menschen begriffen. Weder vor noch nach diesen Jahren bietet sich in der Kunstgeschichte die Gelegenheit, eine solch enge Beziehung zwischen Mensch und Pferd aufzuzeigen und die verschiedenen künstlerischen Positionen in ihrem Facettenreichtum gegenüber zu stellen.

Beschwört der von vielen jungen Künstlern verehrte Hans von Marées das paradiesisch-friedliche Miteinander von Mensch und Tier, so entwirft Ludwig von Hofmann im Bild jugendlicher Reiter den emphatischen Aufbruch in eine neue Zeit wie sie der Jugendstil erhofft. Die Künstlergruppe „Blauer Reiter“ führt das Tier nicht nur im Namen, sondern Franz Marc und Heinrich Campendonk oder Eugen von Kahler aus dessen Umkreis sehen in seiner Schönheit und kreatürlichen Unschuld den Schöpfungsmythos versinnbildlicht und heben deshalb das Tier in seiner Reinheit und Innerlichkeit hervor.

Eine ganz eigene Gefährtenschaft zwischen Mensch und Pferd haben dagegen Franz von Stuck, Louis Tuaillon oder Albert Weisgerber im Sinn, die das mythische Volk der Amazonen in den Blick nehmen. Doch das entfesselte Leben im Kampf, wie es sich im Bild der Amazone – erotisch und mythologisch verbrämt – bündelt,
wird auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs in ungeahnter Weise real. In ihrer Sprachlosigkeit greifen Künstler wie Otto Dix, Max Slevogt oder Otto Schubert erneut auf die Metapher des Pferdes zurück.
Im Bild elendig verendender, unschuldiger Kreaturen verdichtet sich die sinnlose Grausamkeit des Krieges aufs Eindringlichste. Nur mehr als artistische Staffage betrachten dagegen Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner oder Hugo Troendle in Szenen aus Zirkus und Varieté das Tier, das im Kontext der Großstadt seiner
grundsätzlichen Bedeutung beraubt wird.