Ein Leben in Schönheit – Jugendstil
Erstmals widmet sich das Edwin Scharff Museum in einer Sonderausstellung Aspekten einer ganzen Stilepoche: Unter dem programmatischen Titel „Ein Leben in Schönheit – Jugendstil“ spürt es der stilistischen wie reformatorischen Erneuerungsbewegung nach.
Der Jugendstil, der seine Blütezeit um 1900 erlebte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das gesamte Leben künstlerisch zu erfassen und als ein Fest für die Sinne zu gestalten. Die Idealvorstellung ist ein „vom Sofakissen bis zum Städtebau“ schön gestaltetes und wohltuendes Lebensumfeld. Viele Jugendstil-künstler wie etwa Peter Behrens und Henry van de Velde waren zugleich Architekten, Maler, Grafiker und Kunstgewerbler und zielten in ihren Entwürfen auf die Einheit von Kunst und Leben, und damit auch auf eine Durchdringung von Kunst und Kunsthandwerk.
Gerade die Gegenstände des täglichen Lebens, die die Ausstellung konzentriert betrachtet, nahmen einen hohen Stellenwert ein. Dies zeigt sich beispielhaft an der exquisiten Ulmer Privatsammlung von Silber- und Zinnobjekten, die im Zentrum der Ausstellung steht und beweist, wie sich die nahezu verfallene Handwerkstradition der Zinnproduktion im Jugendstil zu einer letzten, opulenten Blütezeit aufschwingt. Besonders in der Buchkunst wird das angestrebte Gesamtkunstwerk verwirklicht: Vom Einband bis zur Illustration über Schrift- und Papierwahl reicht die künstlerische Aufmerksamkeit.
Spannungsreich schlägt die Ausstellung den Bogen von herausragenden Beispielen der Buchgestaltung bis hin zu wichtigen Grafiken und Zeitschriften, die mit für die schnelle Verbreitung und Akzeptanz des Jugendstils verantwortlich zeichneten. Eine Blütezeit erlebt im Jugendstil auch die Glaskunst. Die Schau versammelt Objekte wichtiger Manufakturen und Glashütten, darunter Gläser Emile Gallés mit nahezu skulpturaler Intensität.
Wohnkultur und Lebensgefühl der Zeit werden in einem Wohnraum-Ensemble eingefangen. Ausgesuchte Gemälde von Lechter, Stuck, Putz und Christiansen, Skulpturen von Agathon Léonhard, Matthias Gasteiger oder Franz von Stuck ergänzen und bereichern die Ausstellung. Auch unbekannte und unerwartete Seiten von Künstlern, die für gewöhnlich nicht dem Jugendstil zugerechnet werden, zeigt die Neu-Ulmer Sonderausstellung als Anhänger dieser Kunstepoche: Edwin Scharff oder August Macke beschäftigten sich in ihren frühen Arbeiten mit der Formensprache des Jugendstils.