Blick in die Sonderausstellung "Die Stille im Zentrum des Zyklons". Foto: Edwin Scharff Museum, Nik Schölzel.
Sonderausstellung Kunstmuseum

DIE STILLE IM ZENTRUM DES ZYKLONSGerhard Marcks und sein Modell Trude Jalowetz

Im Jahr 1946 unterrichteten Gerhard Marcks (1889-1981) und Edwin Scharff (1887-1955) an der Landeskunstschule Hamburg. Die beiden Künstler galten als die wichtigsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts.
Dank der Unterstützung der Kunststiftung Werner Schneider gelang es dem Edwin Scharff Museum 2015 die bedeutende Plastik „Still allein“ von Gerhard Marcks aus dem Jahr 1932 zu erwerben.

Seit 1930 leitete Marcks kommissarisch die Werkstätten an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. An der Reformschule fand er die Einheit von Leben und künstlerischer Arbeit vor, die er in den Jahren zuvor am Bauhaus zu etablieren suchte. In dieser Zeit lernte Marcks dort die Studentin Trude Jalowetz (1910-1976) kennen. Zwischen den beiden entwickelte sich ein enges Verhältnis.  

Walter Rössler: Trude Jalowetz im Blütengrund bei Naumburg, 1933, Fotografie, Archiv Albrecht Pohlmann, Halle (Saale)
Walter Rössler: Trude Jalowetz im Blütengrund bei Naumburg, 1933, Fotografie, Archiv Albrecht Pohlmann, Halle (Saale)

Jalowetz stand Marcks für zahlreiche Plastiken und Zeichnungen Modell. In den frühen 30er Jahren entstanden auf diese Weise viele seiner Hauptwerke. Die Zusammenarbeit veränderte merkbar Marcks Arbeiten.

Wie insgesamt in Deutschland verflüchtigten sich auch in Marcks Werk Ende der 20er Jahre die expressionistischen Formtendenzen. Spätestens nach seiner Griechenlandreise 1928 galt sein Interesse immer mehr der Natur des menschlichen Körpers. Entgegen den frühen, abstrahierten und verzerrten Darstellungen, begann er das Konzept des Gleichgewichts von Form und Natur zu entwickeln – eine Besonderheit seines Werkes.

Auch bei „Still allein“ saß Trude Jalowetz für Marcks Modell. Die Ausstellung erzählt die Geschichte dieser Skulptur, der Beziehung zwischen Marcks und Jalowetz und der politischen Bedingungen, an denen sie scheiterte: 1933 endete die Zusammenarbeit der beiden. Die nationalsozialistischen Machthaber enthoben Marcks seiner Lehrtätigkeit, weil er eine jüdische Kollegin verteidigte. Seine Arbeiten wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt.  

Die jüdische Kunststudentin Trude Jalowetz verließ Deutschland; Marcks zog sich mit seiner Familie an die Ostsee in den Ort Niehagen zurück. 1934 besuchte er sie mehrfach in ihrem niederländischen Exil. Während dieser Besuche konnten sie ihre Zusammenarbeit fortsetzen. Es entstanden sogar neue Plastiken. 

Marcks bei der Arbeit im Atelier, Ende 1940er Jahre , Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen.
Marcks bei der Arbeit im Atelier, Ende 1940er Jahre , Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen.

Die Kunstdiktatur der Nationalsozialisten war für Marcks schon früh spürbar. So musste er bereits ab 1930 erleben, dass die national gesinnte Landesregierung in Thüringen seine Werke aus öffentlichen Sammlungen entfernen ließ. In einem Brief bezeichnete er die Schwere der Situation 1932 als „…das stille Zentrum des Zyklons.“ Marcks thematisierte in seinem Werk zwar niemals direkt die restriktive politische Situation; den Plastiken dieser Jahre ist jedoch die Bedrückung anzumerken. Wie Marcks finden sie ihren Ruhepunkt im Inneren – als Ausdruck eines inneren Exils.

Eine Kooperation mit dem Gerhard-Marcks-Haus Bremen.


Titelbild: Blick in die Sonderausstellung „Die Stille im Zentrum des Zyklons“; im Hintergrund die Skulptur „Still allein“. Foto: Edwin Scharff Museum, Nik Schölzel. Für die Werke von Gerhard Marcks: VG Bild-Kunst, Bonn.